[klima] Spektrumartikel, Interview Handelsblatt mit Dennis Meadows

Wilma Buß wilma_maria.buss at uni-bielefeld.de
Fr Jan 25 16:21:10 CET 2008


*spektrumdirekt*
Ausgabe vom 25. Januar 2008
 
Interview


  "Kein fundamentaler Wechsel"


    Dennis Meadows über die Herausforderungen durch den Klimawandel


    [ www.wissenschaft-online.de/artikel/940573 ]

 
Dennis Meadows gehört zu den renommiertesten Zukunftsforschern weltweit. 
1972 erarbeitete er im Auftrag des Club of Rome die wegweisende Studie 
"Grenzen des Wachstums", in der erstmals umfassend mögliche soziale und 
ökologische Folgen eines ungebremsten Wirtschaftswachstums diskutiert 
wurden. Im Interview erläutert er, wieweit sich die damals gestellten 
Prognosen erfüllt haben - und welche Herausforderungen er heute für 
zentral hält.
*Handelsblatt:* Vor einem Jahr erschien in Deutschland Ihr recht 
pessimistischer 30-Jahre-Rückblick. Seither haben 
Klimawandel-Erkenntnisse politisch und wirtschaftlich viel in Bewegung 
gebracht. Stimmt Sie dies optimistischer?

*Dennis Meadows:* Durch eine Reihe von Anlässen, darunter den letzten 
IPCC-Bericht, den Stern-Report und Al Gores Film, wuchs tatsächlich das 
Bewusstsein von Bevölkerungen und nationalen Regierungen und sie wurden 
aktiver hinsichtlich der CO_2 -Emissionen. Dies ist ein Grund zur Hoffnung.

Trotzdem nehmen die Emissionen immer weiter zu. Und die jüngsten 
wissenschaftlichen Daten legen nahe, dass sich die klimatischen 
Schlüsselvariablen schneller ändern, als wir erwartet haben. Selbst wenn 
wir heute einen magischen Knopf drücken könnten und alle Treibhausgase 
beseitigen könnten, würde sich das Klima infolge des extrem langen 
Zeitverzögerungen in dem System in den nächsten Jahrhunderten weiterhin 
ändern. James Lovelock schreibt in seinem Buch, "Gaia's Revenge", dass 
der Klimawandel unsere industrialisierte Gesellschaft von diesem 
Planeten eliminieren wird.

So pessimistisch bin ich nicht, aber ich erwarte ernsthafte Folgen für 
die nächsten Jahrzehnte. Wir haben mehr als dreißig Jahre geschlafen, 
können aber trotzdem - wenn wir jetzt sehr schnell handeln - Lösungen 
finden und anwenden, um ernsthafte Umweltvergiftungen zu vermeiden. 
Dafür reicht es allerdings nicht mehr, das auf materiellem Konsum 
basierende Wirtschaftswachstum zu verlangsamen, sondern wir müssen den 
materiellen Konsum senken. Bei unveränderter Wirtschaftsweise droht 
schon in siebzig Jahren ein Zusammenbruch.

*Handelsblatt:* Welche politischen Initiativen erscheinen Ihnen viel 
versprechend?

*Meadows:* Ein zentraler politischer Schritt war natürlich, dass 
Russland das Kyoto-Protokoll ratifiziert hat und die Vereinbarung 
dadurch in Kraft treten konnte. Selbst wenn Russland mehr durch die 
Aussicht auf den Verkauf von Emissionszertifikaten motiviert war als 
durch die Sorge um die globalen Wettermuster, hat diese Ratifikation der 
Weltgemeinschaft erlaubt, zu beginnen. Der Klimavertrag von Kyoto kann 
den Klimawandel nicht stoppen, aber er ist wichtig, um die Leute dazu zu 
bringen, nach Lösungen zu suchen.

Ich bin sehr beeindruckt von Bundeskanzlerin Merkels Vorschlag, dass wir 
die politische Debatte um den Klimawandel dahingehend ändern müssen, 
anzuerkennen, dass jede Person in der Welt das Recht auf denselben 
Anteil an Treibhausgasemissionen hat. Zurzeit basiert die 
Kyoto-Vereinbarung auf Anstrengungen, die nationalen Emissionen 
ausgehend von Niveaus von 1990 zu senken -- und das in völliger 
Missachtung der unterschiedlichen Bevölkerungen der Länder oder ihrem 
zuvor gemachten Bemühen, den Energieverbrauch oder die CO_2 -Emissionen 
zu senken. Es gibt wenig politische Unterstützung für Merkels Vorschlag. 
Aber ich glaube nicht, dass es irgendwelche vernünftigen internationalen 
Vereinbarungen geben kann, bis ihre Ideen akzeptiert sind.

*Handelsblatt:* Gibt es inzwischen wirtschaftlichen Initiativen, die die 
Kraft haben, Wirtschaft und Gesellschaft zu einem umweltverträglicheren 
Handeln zu bewegen?

*Meadows:*Die Anstrengungen, die ich bei Unternehmen und anderen 
wirtschaftlichen Gruppen gesehen habe, sind meist durch internationale 
Regulierungen zu Emissionsgrenzen und Emissionshandel sowie durch die 
Anpassung an höhere Energiepreise initiiert. Leider bietet das Thema 
Klimawandel keine Gewinne der Art, dass sie individuelle Initiativen 
motivieren würden.

*Handelsblatt:* Was müsste noch getan werden, um den Klimawandel 
aufzuhalten?

*Meadows:*Das Klima hat sich natürlich immer schon geändert und darum 
gibt es, streng genommen, nichts was wir tun können, um ihn zu stoppen. 
Trotzdem können wir hoffen, dass er langsam genug stattfinden würde, 
damit wir und andere Spezies uns in einer mehr oder weniger geordneten 
Weise anpassen können. Und wir können hoffen, dass wir den Klimawandel 
innerhalb der Grenzen halten, die für menschliches Leben auf diesem 
Planet erforderlich sind. Dazu müssten Anstrengungen zur 
Bevölkerungsverminderung durch eine Senkung der Geburtenrate als auch 
durch Migration unterstützt werden. Genauso wichtig wird es sein, 
Lebensmittel, Güter und Dienstleistungen mit weniger energieintensiven 
beziehungsweise emissionsträchtigen Technologien zu produzieren.

*Handelsblatt:* Was raten Sie der deutschen Politik?

*Meadows:*Da ich es nicht geschafft habe, die US-Regierung zu beraten, 
will ich bescheiden genug sein, und Ihrer Regierung keine Ratschläge 
erteilen. Ihrer Regierung stehen bereits viele ausgezeichnete 
Klimaforscher in Deutschland zur Verfügung.

*Handelsblatt:* Vor zwei Jahren sagten Sie, Politiker und Unternehmen 
nahmen und nehmen Ihre Warnungen noch immer nicht ernst. Stimmt diese 
Aussage noch?

*Meadows:*Ich habe keinen fundamentalen Wechsel in den Politiken 
gesehen. Was könnte ich gesehen haben, um meine Meinung zu ändern? Es 
gibt einige Signale. Die Anerkennung, dass die Welt die Kapazität hat, 
um Lebensmittel und Güter zu produzieren, die allen Menschen auf der 
Welt ein annehmbares Leben ermöglichen. Aber wenn Sie sehen, dass 
Unternehmensführer mehr als hundert Millionen Dollar pro Jahr verdienen, 
dann leben wir nicht in einer Gesellschaft, die die Grenzen des 
Wachstums ernst nehmen.

Wir brauchen nicht noch mehr Wachstum, um die Lebensumstände der Armen 
auf akzeptable Niveaus zu heben; wir müssen lediglich dies als Ziel 
akzeptieren und bereit dazu sein, unser extrem hohes Konsumniveau 
aufzugeben, um es zu erreichen. Ich werde erst dann glauben, dass sich 
die Dinge zum Guten wenden, wenn die Natur als komplexes System 
wertgeschätzt wird, das seine eigenen Rechte hat, und wenn nicht mehr 
nur ihre Werte gesehen werden, die aus dem entstehen, was sie unserer 
Wirtschaft kurzfristig bieten kann. Überdies müssen wir beginnen, 
Fortschritte und Erfolge nicht nur in finanziellen Maßstäben zu messen.
 
Das Gespräch führte Susanne Bergius, Handelsblatt
 
 
© Handelsblatt
 
	

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