[klima] Klimapolitik: Spektrumartikel zu Brüssels Plänen

wilma buss wilma_maria.buss at uni-bielefeld.de
Do Jan 24 16:26:31 CET 2008


*spektrumdirekt*
Ausgabe vom 24. Januar 2008
 
Klimapolitik


  Brüssels Pläne für den Klimaschutz


    [ www.wissenschaft-online.de/artikel/940488 ]

 
Die EU-Kommission hat am Mittwoch bekanntgegeben, wie die Staaten der 
Europäischen Union bis 2020 gegen die weitere Erderwärmung vorgehen 
wollen. Unter anderem Deutschland wurden strenge Vorgaben gesetzt: Die 
alternative Energiegewinnung soll ausgeweitet, die 
Kohlendioxid-Emissionen dagegen stark gedrosselt werden. Während sich 
deutsche Umweltpolitiker mehrheitlich zufrieden äußerten, hagelte es 
Kritik von Seiten der Industrie und von Wirtschaftsminister Michael Glos.

Die Beschlüsse sehen vor, dass die EU bis 2020 rund zwanzig Prozent 
ihres Stroms aus erneuerbaren Quellen wie Sonne, Wind oder Biomasse 
beziehen soll - doppelt so viel wie bisher. Außerdem muss die Industrie 
künftig für ihren Schadstoffausstoß bezahlen. Mit ihrem Maßnahmenpaket 
will die Europäische Union erreichen, dass die Treibhausgasemissionen 
bis 2020 um ein Fünftel im Vergleich zu 1990 zurückgehen. Die 
Reduktionsvorgaben unterscheiden sich allerdings von Land zu Land - die 
meisten Staaten im Westen müssen bis 2020 ihren Schadstoffausstoß 
reduzieren, alle neuen EU-Mitglieder bis auf Zypern dürfen ihre 
Emissionen dagegen sogar noch steigern, da sie wirtschaftlichen 
Nachholbedarf haben.

So gilt für die Bundesrepublik ein Minderungsziel von 14 Prozent, wobei 
allerdings das Jahr 2005 als neue Basis gilt und nicht 1990. Deutschland 
muss deshalb seine Anstrengungen vergrößern, da hierzulande der CO_2 
-Ausstoß zwischen 1990 und 2005 bereits beträchtlich gesunken ist - dem 
Zusammenbruch der ostdeutschen Schwerindustrie sei Dank. Stärke 
Minderungen werden prozentual allerdings von Dänemark, Schweden, 
Luxemburg und Irland (-20 Prozent), den Niederlanden, Großbritannien und 
Österreich (-16 Prozent) oder Belgien (-15 Prozent) verlangt. Staaten 
wie Rumänien, Bulgarien oder Lettland dürfen dagegen ihre Emissionen 
noch um bis zu ein Fünftel steigern.

Erreicht werden sollen diese Ziele durch den Ausbau erneuerbarer 
Energien, deren jeweiliger Anteil bis 2020 ebenfalls vorgegeben wurde. 
Deutschland beispielsweise soll bis dahin 18 Prozent seines Bedarfs aus 
Windkraft, Solarenergie oder Biomasse decken, Dänemark ein knappes 
Drittel, Lettland 42 Prozent und Schweden sogar fast die Hälfte. Die 
Abgase von Industriebetrieben sollen zudem mit Hilfe des EU-weiten 
Emissionshandels verringert werden. Der Handel mit Verschmutzungsrechten 
wurde 2005 eingeführt, und Unternehmen dürfen nur so viel Kohlendioxid 
ausstoßen, wie ihnen über ihre Zertifikate-Zahl zugestanden wurde. Ihre 
Menge soll nun bis 2020 um mehr als ein Fünftel im Vergleich zu 2005 
gekürzt werden.

Bislang wurden sie zudem weit gehend kostenlos ausgegeben, doch müssen 
sie Energieerzeuger ab 2013 in der dritten Handelsphase komplett 
ersteigern. Andere Industrien sollen schrittweise kostenpflichtig 
werden. Ausnahmen soll es für Branchen geben, die im Wettbewerb mit 
Firmen aus Ländern stehen, die keinen Klimaschutz betreiben - etwa Stahl 
und Zement, die starke Konkurrenz aus China und Indien haben. 
Festgehalten hat die EU auch an ihrem von Wissenschaftlern, 
Entwicklungshelfern und Umweltschützern stark kritisierten Ziel, bis 
2020 ein Zehntel des Energiebedarfs aus Agrarkraftstoffen zu decken. Die 
Hersteller müssen sich jedoch verpflichten, dafür keinen Regenwald oder 
andere geschützte Flächen zu zerstören. Unklar bleibt vorerst, wie dies 
gewährleistet werden soll. Der WWF fordert eine obligatorische 
Zertifizierung von Agrartreibstoffen für den Import nach Europa. Nur so 
könne sichergestellt werden, dass die Produktion von Energie aus 
Biomasse tatsächlich einen Nutzen bringe.

Das Paket dürfte die EU nach Angaben des Kommissions-Vorsitzenden José 
Manuel Barroso jährlich bis zu 0,5 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts 
(BIP) kosten, das sind derzeit etwa sechzig Milliarden Euro. Umgerechnet 
müsste jeder Bürger der Union wöchentlich drei Euro dafür aufwenden, 
Wirtschaftsexperten kalkulieren mit dem doppelten Betrag. Mit der neuen 
Strategie erhofft sich Barroso aber auch binnen zwölf Jahren eine 
Million neuer Arbeitsplätze.

Lob kam von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, der den EU-Plan als 
"gutes und bemerkenswertes Ergebnis" begrüßte. Die deutschen Positionen 
fänden sich darin wieder. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos hatte 
dagegen schon vor Barrosos Ankündigung vor einer einseitigen Belastung 
Deutschlands gewarnt. Der Bundesverband der Deutschen Industrie mahnte 
die Milliardenkosten an, die den deutschen Betrieben dadurch entstehen: 
"Wir laufen Gefahr, dass die industrielle Basis in Europa und vor allem 
in Deutschland erodiert", äußerte sich BDI-Präsident Jürgen Thumann. (dl)
 
 
 
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